Ich bin 34-jährige Psychologiestudentin kurz vor Abschluss meines Bachelors und entsorgte Mutter zweier wundervoller Töchter. In meinen nebenberuflichen Tätigkeiten arbeite ich ständig mit Kindern vom Baby- bis Ende des Grundschulalters – meine eigenen Kinder darf ich laut Gerichtsbeschluss kaum sehen. Sie sind inzwischen 6 und 9 Jahre alt. Seit meine kleine Tochter knapp 3 Jahre alt ist, also seit nun mehr als 3,5 Jahren, kämpfe ich um sie im Familiengericht. Es ist ein Kampf gegen Gutachter, Richter, Jugendamtssachbearbeiter und Verfahrensbeistände. Überall stoße ich immer wieder auf dasselbe Unverständnis, wenn ich darum bitte meine Kinder und ihre geäußerten Wünsche und Bedürfnisse Ernst zu nehmen. Es heißt, es wären nur meine eigenen Wünsche, die ich auf die Kinder übertrage. Die Entscheidung, dass sie gegen ihren Willen bei ihrem Vater leben, sei zum Kindeswohl. Es gehe den Kindern gut damit.
Das Erscheinen meiner Kinder bei den Anhörungen zeigt einen ganz anderen Eindruck: bei der ersten Anhörung, seit sie in der Obhut ihres Vaters lebten, erschienen beide Mädchen mit Knochenbrüchen, waren ungepflegt, wirkten heruntergewirtschaftet und hoch emotional belastet:
Das Gericht hat in der Anhörung darauf aufmerksam gemacht, dass es den Zustand der Kinder als nicht befriedigend empfunden hat. Mangelnde Körperpflege, insbesondere aber die spürbare psychische Anspannung und der massive Stress der Kinder in der Anhörungssituation, gepaart mit ihren körperlichen Verletzungen (Armbruch bei Charlotte*, Schlüsselbeinbruch bei Julia*) haben dem Gericht den Eindruck vermittelt, dass die Kinder insgesamt in keiner allzu guten Verfassung sind.
Bei der zweiten Anhörung, wo nur noch meine Jüngere erschien, da die Große zwischenzeitlich aus der Obhut ihres Vaters zu mir weggelaufen war, war die Kleine emotional so belastet, dass sie überhaupt nicht mehr ansprechbar war.
Hier heißt es im Anhörungsvermerk:
Ich habe heute im Vorfeld der Anhörung der übrigen Verfahensbeteiligten versucht, das Kind Charlotte anzuhören. Als ich mich dem Sitzungssaal näherte, sah ich bereits, dass Charlotte auf dem Fußboden gekauert lag und bitterlich weinte. Sie wurde dann von ihrem Vater in den Sitzungssaal getragen und der Vater wurde gebeten, den Sitzungssaal zu verlassen.
Charlotte kauerte sich dann so auf einem Stuhl zusammen, dass ich nur ihren Rücken sehen konnte. Ihre langen Haare hatte sie so über ihren Kopf gebreitet, dass ihr Gesicht vollständig bedeckt war. Mit den Händen hielt sie sich die Ohren zu. Ich habe dann etwas abgewartet, ob Charlotte sich möglicherweise beruhigt, sie weinte jedoch durchgehend. In dieser Situation war es mir unmöglich, eine Anhörung von Charlotte durchzuführen.
Und bei solchen Tatsachen soll ich davon ausgehen, dass die geäußerten Wünsche meiner Mädchen nicht echt sein sollen? Dass es ihnen nur aufgrund des Konflikts so schlecht gehe? Sie haben noch nie jemand anderem gegenüber etwas anderes geäußert als dass sie bei mir leben möchten. Sie selbst berichten mir gegenüber, dass sie auch ihren Vater und ihre Großeltern fragen und anflehen bei mir leben zu können - Warum also nicht sie Ernst nehmen? Warum ihnen ihre Kompetenz absprechen, dass sie selbst am besten spüren, womit es ihnen gut geht und womit nicht? Warum mir als Mutter, dem Menschen, der sie am allerbesten kennt, da ich bislang die allermeiste Lebenszeit mit ihnen verbracht habe und die allermeisten großen und kleinen Sorgen mit ihnen bewältigt habe, warum mir als Mutter jegliche Kompetenz absprechen, dass ich nicht wisse, was gut für meine Kinder ist, dass ich meine Bedürfnisse über ihre stellen würde? Unstrittig bei Gericht sind die Kinder in allen anderen Punkten gut bei mir versorgt, hat niemand Zweifel, dass ich in der Lage bin, meine Bedürfnisse gegenüber denen meiner Kinder zurückzunehmen, warum also sollte es in diesem einen Punkt mit dem Wunsch bei mir leben zu wollen anders sein?
Wie also mit solchen Umständen umgehen? Ebenso wie alle Beteiligten die Dinge erschrocken sehen, dann aber wegschauen und alles schön reden? Oder darauf beharren, dass hier etwas ganz und gar nicht stimmt und sich damit noch unbeliebter machen, noch mehr mit allen anlegen, beinah ein ganzes System infrage stellen?
In diesem Konflikt lebe ich seit 3,5 Jahren und komme immer wieder an meine Grenzen und die des Systems. Doch mein Entschluss steht fest: auch wenn es so geht bis beide Mädchen 18 sind – ich werde nicht mehr zusehen und negieren wie meine Töchter leiden, auch wenn ich mir damit weiter keine Freunde mache, weiter unangenehm bin: ich werde mich nicht so verhalten wie all diese Verfahrensbeteiligten, die immer wieder sehen, wie schlecht es den beiden geht, es dann aber wegwischen und schön reden. Meine Töchter sollen wenigstens einen Menschen in ihrem Leben haben, der zu ihnen steht, der sie Ernst nimmt, dem sie vertrauen können und der sich wirklich und nicht nur scheinbar dafür einsetzt, dass sie endlich das Leben führen können, was ihnen gut tut und sie sich wünschen.
*Namen geändert
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