Direkt zum Hauptbereich

Charlottes* großer Tag

 



Heute war Charlottes* Einschulung. Schon seit Wochen stand mir dieser Tag bevor. Jedes Mal kamen mir die Tränen, wenn ich in den Geschäften die Erstlesebücher und Schultüten sah, wenn ich an Julias* großen Tag damals zurück dachte. Julia freute sich schon Wochen vorher riesig auf die Einschulung, sprach von nichts anderem mehr, wochenlang plante ich ihre Schultüte, den Inhalt, das Einschulungsessen, das Programm für den Tag, die Gästeliste. Auch ihr Vater sollte teilnehmen – immerhin war es ja ihr Vater, Oma und Opa väterlicherseits waren ebenso eingeladen.

Am Tag selbst strahlte Julia von oben bis unten, sie sah wunderschön aus, es war für sie bis dahin der schönste Tag in ihrem Leben, sie freute sich riesig über ihre riesige von mir genähte Schultüte mit Einhorn drauf in Regenbogenfarben, über alles was darin war, über das Grillen später im Garten, war unendlich stolz ihren Schulranzen und die Tüte das erste Mal zur Schule zu tragen und ihre erste Unterrichtsstunde haben zu dürfen, war abends unendlich traurig, dass der Tag so schnell zu Ende ging.

Auch Charlotte war wahnsinnig aufgeregt an dem Einschulungstag von Julia, freute sich über ihre kleine Geschwisterschultüte, präsentierte sie stolz auf den Fotos, die wir später auf dem Schulhof machten, redete seit diesem Tag von der genähten Schultüte, die sie sich von mir wünschte. Drei Jahre lang sprach sie immer wieder davon.

Heute sollte sie nun auch ihre genähte Schultüte von mir bekommen. Ich habe vor mehreren Wochen begonnen den Stoff für sie auszusuchen, mir viele Gedanken gemacht, was ihr gefallen könnte. Mich schließlich für ein Pferd mit Wollmähne entschieden, was in einem Herzbild saß. An zwei ruhigen Abenden meine Nähmaschine ausgepackt und alles zugeschnitten und genäht. Zwischendurch habe ich immer wieder Geschenke für sie gekauft, was sich gar nicht so einfach erwies, da Julia immer bei mir war und ich auch Julia mit einer kleinen Schultüte überraschen wollte. Ein paar Päckchen suchten wir auch gemeinsam aus. Gestern Abend habe ich mehrere Stunden damit zugebracht, beide Tüten zu packen und alles gut aufzuteilen. Julia hat mit Hingabe noch für Charlotte gebastelt – ebenfalls mehrere Stunden.

In der Verhandlung für den Umgang mit Charlotte am 25.08.21 hatte ich deutlich gemacht, dass mir die Teilnahme an Charlottes Einschulung sehr wichtig ist. Niemand sagte in der Verhandlung etwas dazu. Die Richterin nahm es in ihr Protokoll auf. Einen Beschluss darüber gab es seitdem nun nicht. Die Einschulung von Charlotte sollte um neun beginnen. Seit ca. zwanzig vor neun wartete ich vor dem Haupteingang der Schule auf sie. Meine Eltern ebenso. Die Tante von Charlotte, meine Schwester, wollte ebenfalls noch kommen. Ich hatte sie gebeten möglichst viele Fotos von Charlotte zu machen.

Meine Mutter war unglaublich unruhig. Die anderen Eltern und Kinder sammelten sich zunehmend vor dem Eingang, Charlotte fehlte. Alle Gäste gingen schließlich hinein. Der Opa von Charlotte erschien, grüßte mich zunächst nicht, meine Eltern dann doch, Charlotte fehlte weiterhin. Erst wenige Minuten vor neun kam sie schließlich mit ihrem Vater. Sie hatte eine Jeans und eine rosa Jacke an, einen geflochtenen Zopf, einen rosafarbenen Ranzen. Ihre Schultüte mit Einhorn drauf trug ihr Vater. Sie selbst ging neben ihm her, ich konnte nicht genau erkennen, ob sie mich von weitem schon sah, sie wirkte abwesend. Beide redeten nicht miteinander. Ich wartete auf dem Weg auf sie. Kurz bevor sie bei mir ankamen, drängte der Vater Charlotte wortlos vom Weg ab durchs Gebüsch, verhinderte damit, dass sich unsere Wege kreuzten. Ich begrüßte Charlotte kurz, sie erblickte mich und begrüßte mich ebenfalls kurz. Mehr Zeit blieb nicht, da sie so spät waren und rein mussten, er sie weiterzerrte. Zwei Erwachsene waren pro Schulanfänger für die Feier zugelassen. Sie ging mit ihrem Vater und ihrem Opa hinein. Ich blieb vor der Tür stehen mit meiner Schultüte und Julias Geschenk. Meine Mutter war vollkommen fassungslos. Sie konnte das Drama kaum aushalten.

Wir gingen dann zum Ausgang auf dem Schulhof, wo alle nach der Zeremonie und der ersten Schulstunde wieder herauskommen sollten. Es war eine kleine Schultafel als Hintergrund für Fotos aufgebaut. Nach und nach sammelten sich immer mehr Großeltern, Verwandte und Bekannte der Erstklässler. Der Patenonkel von Charlotte und gleichzeitig Freund des Vaters erschien mit seinen beiden Kindern. Patenonkel und –tante, die aus meinem Familien- und Freundeskreis stammten, waren nicht anwesend. Die Oma väterlicherseits konnte ich ebenfalls nirgends sehen. Schließlich kamen die Eltern der Schulanfänger gesammelt nach der Zeremonie auf den Schulhof. Die Kinder waren noch in ihren Klassen. Alle Eltern verteilten sich über den Schulhof. Charlottes Vater war nirgends zu sehen, der Opa ebenfalls nicht. Ich ahnte bereits, dass Charlotte auf dem Schulhof nicht eintreffen würde.

Schließlich kamen alle Kinder mit einer Rose in der Hand auf ihre Liebsten zugestürmt – Charlotte war wie erwartet nicht dabei. Auch der Patenonkel von Charlotte war verwundert, dass sie nicht dabei war. Ich fragte ihn, ob er die Schultüte nähme, falls ich Charlotte nicht mehr sähe, er sagte es mir netterweise zu, dann entschloss ich mich schnell, zurück zum Haupteingang zu gehen, dort hatte ich das Auto des Vaters gesehen, Charlottes Tante folgte mir. Wir kamen gerade an, als Charlotte schon im Auto saß und der Vater gerade losfahren wollte. Sie winkte uns traurig durch das geschlossene Fenster zu, dann wurde sie schon fortgefahren. Meine Schultüte und Julias Geschenk trug ich nach wie vor. Ein Foto von meiner Tochter bei ihrer Einschulung hatte ich nicht. Gesprochen habe ich kein Wort mit ihr. Umarmen oder sie drücken oder auch nur gratulieren konnte ich ebenso wenig. Das einzige was uns nach fast drei Monaten ohne Kontakt blieb, war ein trauriges Winken durch das Autofenster und eine kurze Begrüßung vor der Zeremonie.

Wir gingen zurück zum Hinterausgang, dort kamen zwei Personen auf mich zu. Es waren die Schulsozialarbeiter. Sie erklärten, dass Charlotte nicht käme, da ich ein Kontaktverbot hätte. Der Vater hätte die Schule einige Tage zuvor hierüber informiert. Ich erklärte, dass es meines Wissens nach kein Näherungsverbot gäbe und ich lediglich Charlotte eine Schultüte überreichen wollte, was die Sozialarbeiter als verständlichen Wunsch erklärten. Charlottes Tante und Großeltern waren sichtlich empört und schockiert über dieses Eingreifen von Seiten der Schule.

Ganz herzlich danken möchte ich Charlottes Patenonkel. Er kam meiner Bitte nach, Charlotte ihre Schultüte von mir und das Geschenk von Julia zu überreichen. Ich hoffe und wünsche ihr nun sehr, dass sie diese tatsächlich bekommt, dass sie Zeit und Ruhe dafür findet, die Sachen anzuschauen und sich ein wenig daran zu erfreuen. Ich wünsche meiner kleinen Schulanfängerin, dass ihr großer Tag noch so schön wie nur irgend möglich wurde, dass sie sich an den Sonnenstrahlen und dem großartigen Septemberwetter erfreuen konnte und gebührend gefeiert wurde. Julia und ich jedenfalls haben ein Stück Kuchen im Café gegessen um ihren großen Tag zu feiern und an sie zu denken. Wir lieben dich über alles!

* Namen geändert

Kommentare

Beliebte Posts aus diesem Blog

Näherungsverbot für mich gegenüber meiner 7-jährigen Tochter?

Weihnachtspost vom Gericht In 2021 habe ich den Umgangsausschluss für Charlotte* pünktlich zu Heiligabend im Briefkasten gehabt, in 2020 war es der Sorgerechtsentzug. Auch in 2022 Jahr habe ich fest mit Weihnachtspost vom Gericht gerechnet - den Briefkasten habe ich diesmal bewusst erst nach Weihnachten wieder geöffnet... Nun also die Weihnachtspost vom Gericht: am 26.01.2023 wird darüber verhandelt, ob ich ein Näherungsverbot zu meiner 7-jährigen Tochter, die ich seit mehr als 1,5 Jahren nicht sehen durfte, erhalten soll.  Seit über einem Jahr wird mir dieses Näherungsverbots angedroht, weil Charlottes Vater dies wünscht. Grund dafür soll der 7. Geburtstag von Charlotte vor über zehn Monaten sein. Ich habe an diesem Tag ein kleines Geschenk und zwei Briefe von Julia* und mir in den Hort gebracht mit der Bitte um Weitergabe an Charlotte, die mehrfach unfreiwillig und gewaltsam von mir getrennt wurde und seitdem keinen Kontakt zu mir haben darf.  Beim Verlassen des Horts kam gerade mein

Fassungslosigkeit

  Was ist los in unserem Rechtsstaat? Ein fünf Wochen altes Neugeborenes, was aus den Armen seiner nachweislich gesunden und stillenden Mama gerissen wird um dann zuerst völlig fremden Pflegepersonen, dann dem unter Pädophilieverdacht stehenden Vater zugeführt zu werden. Das ist in der Nacht von Donnerstag auf Freitag hier mitten in Deutschland mithilfe von einem ganzen Aufgebot an Polizisten geschehen. Ich habe Mutter und Kind persönlich kennen lernen dürfen und ein vollgestilltes Neugeborenes erlebt, was stets liebevoll von seiner Mama umsorgt wurde. Was ist los in unserem Rechtsstaat? Was ist eine Mutter heute noch wert? Wie wird die Bindung zwischen Mutter und Kind hier mit Füßen getreten? Ist es das, was wir für unsere Kinder wollen? Warum fügt man einem Neugeborenen, was bisher beinah ununterbrochen an der Brust seiner Mutter war, hier alle Geborgenheit und Fürsorge bekommen hat, die es brauchte, solch ein Trauma wissentlich zu? Warum fügt man Mutter und Kind solch ein Trauma zu?

Gerichtstermin und Demo

 Sehr erfolgreich an unserem Gerichtstermin war der Support, den ich durch Freunde, Verwandte, Interessierte, Betroffene und Engagierte erhalten habe und was wir damit im Hinblick auf institutionelle Gewalt an Frauen und Kindern ausdrücken konnten. Ihr habt eine Demo durch die ganze City von Hannover gemacht, ihr ward am Landtag und habt euch Gehör bei den Abgeordneten verschafft. Und ihr werdet im Fernsehen zu sehen sein mit dem was wir zu sagen haben und was wir verändern wollen: Dass die institutionelle Gewalt am Familiengericht gegen Frauen und Kinder beendet und die Istanbul Konvention  zum Schutz von Frauen und Kindern vor Gewalt auch bei Sorge- und Umgangsverfahren endlich konsequent umgesetzt werden muss . Unser Gerichtstermin selbst zeigte deutlich wieder das, was wir Frauen unter institutioneller Gewalt verstehen: über anderthalb Stunden wurde ausschließlich mein Verhalten bewertet, der Vater komplett in Ruhe gelassen , der Bindung zwischen Mutter und Kind wurde weiterhin ke