Vor mehr als drei Monaten wurde unser neues Gutachten am Amtsgericht in Auftrag gegeben. Unser Sorgerechtsverfahren sollte neu aufgerollt werden. Endlich schien es einen Schritt vorwärts zu gehen und ich eine neue Chance zu bekommen. Endlich entwickelte Julia* ein minimales bisschen Sicherheit dauerhaft bei mir bleiben zu dürfen. Endlich schien es auch wieder Hoffnung auf Kontakt zu Charlotte* zu geben. Meine Hoffnungen wurden nun jäh wieder zerschlagen!
Der Vater hatte, unmittelbar nachdem das Verfahren am Amtsgericht neu aufgerollt werden sollte, einen Befangenheitsantrag gegen die Richterin eingereicht. Das heißt, er war der Meinung, dass die Richterin sich nicht neutral verhalten habe, sondern den Eindruck erweckt haben soll, parteiisch zu sein. Eine einzige Entscheidung zu meinen Gunsten (und vor allen Dingen im Einklang mit den geäußerten Wünschen seiner Töchter) hatte gereicht, dass er einen knapp 40-seitigen Befangenheitsantrag einreichte.
Das Amtsgericht hielt den Befangenheitsantrag für unbegründet. In der Zurückweisung wurde festgehalten, dass Julia nicht noch einmal der Gefahr der Traumatisierung durch eine gewaltsame Trennung von mir ausgesetzt werden sollte. Auch wurde festgestellt, dass der vormalige Gutachter nicht geeignet sei, kinderpsychologische Fragestellungen zu beantworten und deswegen statt ihm nun eine neue Gutachterin beauftragt werden sollte.
Erstmals hatte ich den Eindruck, seit Jahren (!), dass sich das Amtsgericht ernsthaft mit meinen Argumenten auseinander gesetzt hatte. Erstmals hatte ich Hoffnung, dass sich nun auch ernsthaft mit den Wünschen und Bedürfnissen meiner Töchter auseinander gesetzt werden könnte.
Diese Hoffnungen wurden durch das Oberlandesgericht nun erneut zerschlagen. Gegen die Ablehnung des Befangenheitsantrages vom Amtsgericht hatte der Vater Rechtsmittel eingelegt. Diese hielt das Amtsgericht ebenfalls für unbegründet. Das OLG jedoch gab ihm – wie zu erwarten – Recht. Erwartet hatte ich dies nicht etwa, weil ich seine Bedenken für berechtigt hielt, sondern viel mehr, weil unsere zuständigen Richter am OLG bislang in allen (!) Entscheidungen dem Vater uneingeschränkt Recht gegeben hatten.
Damit aber nicht genug. In diesem Beschluss des OLG werden mir erneut Dinge unterstellt, die ich faktisch und nachweisbar nicht getan habe. Erneut wird pauschal unterstellt, dass ich kindeswohlgefährdend für Julia sei. Das OLG hat Julia seit sie in meiner Obhut ist, seit 11 Monaten, nicht ein einziges Mal angehört oder auch nur gesehen. Wie auch schon der damalige Gutachter beim Sorgerechtsentzug erlaubten sich die Richter des OLG den Zustand von Julia nun erneut anhand der Aktenlage einzuschätzen!
Entgegen der Entscheidung von Polizei und Jugendamt, die die Zwangsvollstreckung vor fast einem Jahr wegen Zweifel an der Kindeswohldienlichkeit abbrachen, nachdem sie Julia gesehen und mit ihr gesprochen hatten!
Entgegen der scharfen Kritik des Psychiaters, der ebenfalls tatsächlich Julia gesehen und mit ihr gesprochen hatte und dringend ihren Verbleib in meinem Haushalt empfiehlt!
Entgegen der Entscheidung des Jugendamts, welches trotz Prüfung einer durch die Exschwiegereltern befürchteten Kindeswohlgefährdung keine Inobhutnahme vornahm, nachdem die Mitarbeiterinnen Julia tatsächlich gesehen und mit ihr gesprochen hatten!
Entgegen der deutlich geäußerten Bedenken des Amtsgerichts hinsichtlich einer möglichen erneuten Mutter-Kind-Trennung!
Pauschal wird nun offiziell vom OLG angedroht, Julia anderweitig unterbringen zu wollen, wenn sie nicht zu ihrem Vater zurückwolle. Bei mir könne sie unter keinen Umständen und auf gar keinen Fall bleiben.
Julia ist unendlich froh seit bald einem Jahr bei mir zu sein. Von allen Seiten bekomme ich immer wieder gespiegelt, wie sichtbar sie sich entspannt und erholt hat. Ich erlebe sie fröhlich, ausgelassen, neugierig. Die verschiedenen gesundheitlichen Probleme, die sie in der Obhut ihres Vaters entwickelt hatte, haben sich vollständig gelegt. Sie spielt mit all ihren alten Freundinnen, die sie teilweise ihr ganzes Leben schon kennt. Sie sieht endlich wieder regelmäßig ihre beiden Cousins, ihre Tante, ihre Patentanten, ihre Großeltern, die Nachbarskinder. Sie schmust und spielt liebend gern mit ihren beiden Katzen, die sie zuvor anderthalb Jahre lang kaum sehen konnte. Sie ist unendlich froh wieder in ihrem Wahlzuhause sein zu können, in ihrem eigenen Kinderzimmer zu spielen. Wie können drei Richter am OLG, die meine Tochter seit knapp einem Jahr, seit sie wieder in meiner Obhut ist, nicht ein einziges Mal gesehen haben, einfach pauschal eine Heimunterbringung gegenüber der weiteren Betreuung bei mir vorziehen?
All dies ist mir nach wie vor unbegreiflich, auch wenn mir die Dynamik leider bereits aus etlichen ähnlich gelagerten Fällen von vielen mir persönlich bekannten Müttern inzwischen nur allzu vertraut ist. Tatsächlich hat nun auch der Soziologe Dr. Hammer vor knapp zwei Monaten eine Bestandsaufnahme zum derzeitigen Familiengericht herausgebracht und ist dabei auf genau dieselben Dynamiken gestoßen, die ich persönlich auch schon so häufig beobachtet und selbst erlebt habe. Mein subjektiver Eindruck wird von dieser neuen Studie deutlich bestätigt. Auch gibt Dr. Hammer konkrete Handlungsimplikationen und Änderungsvorschläge. Die Studie ist sehr lesenswert und hat inzwischen breite Medienresonanz erlangt. Sie ist zu finden unter:
https://www.familienrecht-in-deutschland.de/
In unserem Fall ist nun vorerst nicht weiter das Oberlandesgericht, sondern eine neue Richterin am Amtsgericht zuständig. Ob sie mir trotz der pauschalen Einschätzung des OLG eine Chance geben wird? Oder wird sie den „Handlungsanweisungen“ des OLG folgen und Julia, ohne sie auch nur ein einziges Mal in Augenschein genommen zu haben ein weiteres Mal gewaltsam von mir trennen und im Zweifel sogar in ein Heim bringen lassen? Und was wird aus dem Kontakt zu Charlotte, der nun bereits seit fast einem Jahr ausgesetzt wurde, ohne dass auch nur irgendein Gerichtsbeteiligter es für bedenklich hielt, dass ein siebenjähriges Mädchen keinerlei Kontakt mehr zu seiner Mutter haben darf, obwohl es tatsächlich unbestritten eine enge Bindung und einen Kontaktwunsch hat?
Ich jedenfalls werde weiter dafür kämpfen, dass die Wünsche und Bedürfnisse meiner Töchter endlich respektiert und berücksichtigt werden!
* Namen geändert
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