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Julias* Erfahrungen mit der Clearingstelle des Jugendamts

 


Heute vor einem Jahr lief meine große Tochter Julia* zum dritten und vorerst letzten Mal von ihrem Vater weg. Seit diesem Tage ist sie nun bei mir.

Ich möchte euch heute von ihren Erfahrungen mit der Clearingstelle berichten, die sie machen musste, nachdem sie bei ihrem zweiten Weglaufversuch zu ihrer Tante geflüchtet war. Die Clearingstelle ist eine Institution des Jugendamts, die für Inobhutnahmen bei Kindeswohlgefährdungen und Krisensituationen zuständig ist. 

Am 8.6.2021 lief Julia zum zweiten Mal aus der Obhut ihres Vaters weg und suchte Zuflucht bei ihrer Tante. Nachdem sie Stunden mit ihrem Cousin spielen konnte und erstmals auch dessen zwei Monate alten kleinen Bruder kennen lernte, wurde sie abends von der Polizei dort abgeholt und zur Clearingstelle des Jugendamts gebracht. Julia berichtete mir bei unserem nächsten Wiedersehen entsetzt von diesem für sie schrecklichen Ereignis. 

Die Polizei traf am frühen Abend bei Julia und ihrer Tante ein und "überzeugte" Julia "freiwillig" mit zur Clearingstelle zu kommen und damit die Obhut ihrer Tante wieder zu verlassen. Vielleicht würde sie dann auch zur Mama zurückkommen, wenn sie zur Clearingstelle mitkäme, so versprach man ihr und überzeugte sie. Auch ihren Onkel sollte sie als emotionale Unterstützung mitnehmen dürfen, so wurde ihr versprochen. Leider wurde Julia hier erneut enttäuscht und ihr Vertrauen in die staatlichen Institutionen ein weiteres Mal erschüttert.

Bei der Clearingstelle angekommen durfte der Onkel entgegen des vorherigen Versprechens nicht mit hereinkommen. Man würde sich dort mit Kindern auskennen. Und er könne sie sonst beeinflussen. Dies berichtete mir der Onkel später. Eine emotionale Unterstützung hatte Julia also ab dem Betreten der Clearingstelle nicht mehr! Einen Zeugen für ihre Erlebnisse ebenfalls nicht!

Sie berichtete mir, dass sie ununterbrochen dort weinte. Niemand tröstete sie. Sie saß zwischen etlichen älteren Jugendlichen, die alle in Obhut genommen worden waren. Der Mitarbeiter von der Clearingstelle befragte sie zu ihrer Situation. Er fragte, warum sie nicht zu ihrem Vater wolle. Sie erklärte, dass es ihr dort sehr schlecht gehe, es unordentlich und schmutzig dort sei und dass ihr Vater nicht gut mit der kleinen Schwester umgehe, sie gewaltsam durch die Gegend zerre, wenn sich Charlotte* weigere etwas zu tun. Dass Charlotte sehr oft morgens nicht aufstehen und nicht in den Kindergarten wolle, dass sie deswegen auch häufig zu spät zur Schule käme. Sie erklärte, dass es auch Charlotte dort sehr schlecht gehe, dass sie dies alles nicht mehr ertrage, dass sie mich vermisse, dass sie bei mir leben wolle, es ihr bei mir viel besser gehe.

All das schien den Mitarbeiter nicht im mindesten zu beeindrucken. Während der erste Teil des Berichts über den Abend, wo noch Tante und Onkel anwesend waren, relativ nah an dem Bericht von Julia dran ist, steht zu dem Gespräch ohne Anwesenheit von Zeugen einzig und allein Folgendes: "Nach langem einfühlsamen Zureden, konnte Julia davon überzeugt werden, dem KV zugeführt zu werden. Zuvor konnte Julia keine Angaben tätigen, die hätten darauf hindeuten können, dass ihr Wohl im häuslichen Umfeld des Vaters gefährdet sei. Vielmehr benannte sie, dass sie beide Elternteile im gleichen zeitlichen Umfang um sich haben möchte." Von dem kompletten Gesprächsverlauf wie meine Tochter ihn detailliert berichtet, ist darin nichts zu finden!

Der Mitarbeiter beharrte -laut Julia- dann immer wieder darauf, was ich für eine schlimme Mutter sei. (Ob hierunter wohl "einfühlsames Zureden" zu verstehen ist???) Julia weinte weiter. Sie wollte erfahren, was so schlimm an mir sei. Das könnte er ihr nicht sagen. 

Was ihr zuvor in Aussicht gestellt worden war - dass sie "vielleicht" zu mir zurück könne - wurde dann doch nicht erfüllt. Abermals kam sie zurück zu ihrem Vater... Abermals erfuhr sie, dass ihr Wille, ihre Sorgen, ihr Empfinden nicht ernst genommen wurden. Die Aussichtslosigkeit der Situation und ihre scheinbare Machtlosigkeit wurde ihr ein weiteres Mal vor Augen geführt.

Von ihrem Gespräch, was ihr Vater am nächsten Tag mit ihr führte, berichtete sie mir ebenfalls bei unserem nächsten Wiedersehen: Er machte ihr ein schlechtes Gewissen, dass es ihrer kleinen Schwester so unheimlich schlecht ohne sie gehe. Und er drohte ihr damit, sie in ein Heim zu geben, sollte sie nochmals weglaufen. Auf ihren Willen, mich sehen zu wollen, ging er erneut nicht ein.

10 Tage später lief sie dann erneut weg! Allen Drohungen, Schlechtmachen meiner Person und Einschüchterungsversuchen zum Trotz!

Seitdem ist sie nun bei mir. Wir haben einen neuen Verhandlungstermin Ende Juni. Julia soll auch angehört werden. 

Ob diese neue Anhörung endlich dazu führen wird, dass ihr Wille Ernst genommen wird? Oder wird sie erneut enden, wie dieser Tag bei der Clearingstelle mit Hoffnungen, die dann doch nicht erfüllt werden? Werden die Drohungen des Vaters, die auch vom OLG unterstützt zu werden scheinen, nach einem Jahr in meiner Obhut, doch noch wahr werden?

Heute feiern wir erstmal, dass wir nun seit einem Jahr zusammen sind. Von ganzem Herzen möchte ich allen UnterstützerInnen danken, die uns bis hierhin geholfen und begleitet haben, uns emotional und mit verschiedensten Hilfsangeboten unterstützt haben!


* Namen geändert

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